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Rezension zu Schreiber: Zuhause

Das Buch

Schreiber, Daniel (2017): Zuhause. Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen. 4. Aufl. 2022. Hanser (Berlin). 144 Seiten. ISBN 978-3-446-25474-9. D: 20,00 EUR. Hier geht es zum Buch.

Thema

Das Buch Zuhause. Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen von Daniel Schreiber setzt sich mit der Frage auseinander, was Zuhause in einer zunehmend globalisierten und fragmentierten Welt bedeutet. Schreiber betrachtet Zuhause als vielschichtiges Konzept, das sowohl physische als auch emotionale, soziale und kulturelle Dimensionen umfasst. Dabei greift er auf philosophische, psychoanalytische und soziologische Theorien sowie auf persönliche Erlebnisse zurück. Seine Arbeit steht in einer Tradition, die sich kritisch mit Begriffen wie Heimat, Identität und Zugehörigkeit auseinandersetzt. Die moderne Diskussion über Zuhause wird zunehmend von Themen wie Migration, Urbanisierung und Identitätspolitik geprägt. Schreiber's Buch bietet einen persönlichen und zugleich analytischen Beitrag, indem es die Ambivalenzen und Wandlungsprozesse des Begriffs reflektiert.

Autor

Daniel Schreiber (*1977 in Mecklenburg-Vorpommern) ist ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Nach seinem Studium der Literaturwissenschaft, Slawistik, Theaterwissenschaft und Performance Studies in Berlin und New York veröffentlichte er das Buch Susan Sontag. Geist und Glamour. Seine Texte erschienen in Medien wie Die Zeit und Deutschlandradio Kultur. In Werken wie Zuhause (2017) thematisiert er Kindheit, Identität und seine Homosexualität. Mit Nüchtern (2014) und Allein (2021), das international Erfolg hatte, prägt er das literarische Essay-Genre. Schreiber lebt in Berlin und ist Gründungsmitglied des PEN Berlin.

Entstehungshintergrund

Daniel Schreiber, selbst Journalist und Essayist, ist bekannt für seine reflektierten und persönlichen Arbeiten. Seine früheren Werke wie Nüchtern und Allein setzen sich mit grundlegenden Fragen der menschlichen Existenz auseinander. Zuhause entstand vor dem Hintergrund seiner eigenen Biografie: einer Kindheit in der DDR, dem Leben als schwuler Mann in einer oft nicht akzeptierenden Gesellschaft und seiner Suche nach Zugehörigkeit in verschiedenen Metropolen wie London, New York und Berlin. Die vielfältigen Einflüsse aus seiner Lebensgeschichte und die philosophischen Perspektiven von Denker*innen wie Hannah Arendt, Vilém Flusser oder auch Susan Neiman und Didier Eribon prägen sein autobiografisches Essay. Hervorzuheben ist sein Ansatz, persönliche Erfahrungen mit kulturkritischen und anthropologischen Überlegungen zu verknüpfen.

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert, die jeweils unterschiedliche Aspekte des Begriffs Zuhause beleuchten. Im ersten Kapitel Woher die Sehnsucht? Thematisiert Schreiber die komplexe und ambivalente Natur des Begriffs Zuhause. Er definiert Zuhause als mehrdimensionales Konzept, das physische, emotionale und soziale Aspekte vereint. Schreiber betont die universelle Bedeutung von Geborgenheit, Zugehörigkeit und Gemeinschaft, die sich sowohl individuell als auch kollektiv manifestiert. Besonders die Verknüpfung mit anthropologischen Konstanten und die Reflexion über das moderne Verständnis von Zuhause — als Suche und Konstruktion — zeichnen seine Analyse aus. Seine Anlehnungen an Pico lyer, Edwar Said und Arjun Appadurai sowie Susan Neiman, Theodor W. Adorno und Hannah Arendt oder Jacques Derrida sind Teil des theoretischen Fundaments. Dabei wird klar, dass die konkrete Bedeutung von Zuhause von der jeweiligen Zeit und Kultur abhängt. Allgemein finde sich aber immer der Wunsch nach einem Zuhause, zu dem Schreiber sagt: „Er bestimmt, wie wir unser soziales Leben organisieren, wie wir darüber denken, wer wir sind, und wie wir die Gesellschaft sehen, in der wir leben“ (S. 12).

Nachdem er aufgezeigt hat, dass Zuhause nicht nur ein physischer Ort, sondern ein lebenslanger Prozess, ein innerer und sozialer Raum ist, leitet er über in das nächste Kapitel Was unser Erbe ist (vgl. S. 14). Hier untersucht Schreiber die Rolle von Erinnerung und Erzählung in der Konstruktion von Heimat. Er beschreibt Heimat als „einen irrealen Sehnsuchtsort [...] von Nostalgie und unerfüllbaren Wünschen“ (S. 32) und zeichnet die kulturellen und politischen Implikationen des Begriffs nach. Besonders stark sind hier seine Reflexionen über die deutsche Geschichte mit Fokus auf das 19. und 20. Jahrhundert. Dies beschreibt er am Beispiel eines Teils seiner Familiengeschichte. Damit illustriert er die Flucht- und Migrationsgeschichte, die Deutschland prägte. Schreiber geht weiterhin auch auf die Schwierigkeiten ein, die eine Entstehung einer kollektiven Identität mit sich bringt. Er beschreibt den Begriff Heimat als nostalgisches und oft irreal überhöhtes Konzept, das mehr mit Verlust und Sehnsucht als mit realer Erfahrung verbunden ist und als ein kollektives Abwehrsymbol dient.

Das Kapitel Die Ausweitung der inneren Geographie widmet sich anschließend dem Spannungsfeld zwischen Sesshaftigkeit und Aufbruch. Schreiber beschreibt Zuhause als ambivalente und fluide Erfahrung, die sich im ständigen Konflikt zwischen Bleiben und Gehen entwickelt: „Je weiter ich von dort, wo ich aufgewachsen war, wegkam, desto freier fühlte ich mich, desto mehr kam ich zu mir selbst, desto besser ging es mir.“ (S. 46). Philosophische Perspektiven, wie die von Karen Joisten, untermauern die These, dass Zuhause nicht nur ein physischer Ort, sondern vor allem ein innerer Prozess ist: „Sich ein Zuhause zu suchen bedeutet, einen Ort in der Welt zu finden, an dem wir ankommen - und dieser Ort wird zuallererst ein innerer Ort sein, ein Ort, den wir uns erarbeiten müssen.“ (S. 57). Das Bedürfnis nach Neuorientierung wird als Ausdruck persönlicher Freiheit und Entwicklung betrachtet. Besonders die Reflexion über die Ambivalenz und die transformative Kraft von Ortswechseln steht in diesem Kapitel im Mittelpunkt.

Schreiber untersucht im folgenden Kapitel Woher ich kam die Wechselwirkungen zwischen Herkunft und Identität. Ausgehend von der Aussage „Kontinuität ist nichts als eine Illusion“ beschreibt er die Konstruktion von individuellen und kollektiven Identitäten (S. 58). Ein Fokus liegt auf der Idee der horizontalen Identität (Andrew Solomon), die „[…] quer zum familiären Stammbaum verläuft und sich an fremden Lebensmöglichkeiten orientiert.“ (S. 64). Die Kindheit in der DDR wird als prägende, jedoch oft entfremdende Erfahrung dargestellt, da „[…] Kinder eine seltsame Form öffentlichen Eigentums“ waren (S. 66). Identität wird dabei als dynamischer Prozess des Individuums betrachtet, der sowohl von familiären als auch von gesellschaftlichen Einflüssen geprägt ist. Insbesondere die Lebensrealität von queeren Menschen dient hier als Beispiel, da diese in den Konstruktionsprozessen des Selbst Glaubenssätze des Weniger-Wert-Seins internalisieren. Hier verweist Schreiber auf das Konzept des In-der-Welt-sein von Didier Eribon. Besonders bemerkenswert ist die Reflexion über das Spannungsverhältnis zwischen Scham, Vergebung und Zugehörigkeit, welche Jacques Derrida entlehnt ist.

Es folgt das Kapitel Das zuhauselose Zuhause. Hier geht Schreiber zuerst auf die Funktion von Sprache als Zugang zur Welt ein, wobei jede Sprache die Welt anders beschreibt und somit andere Zugänge zu dieser bietet. Des Weiteren beschreibt er die paradoxe Natur von Großstädten, die Anonymität und Vertrautheit zugleich bieten. Er reflektiert die Idee eines zuhauselosen Zuhauses, das weniger auf festen Bindungen als auf innerer Freiheit basiert. Die Stadt wird ausgehend von Aleida Assmann als Speicher kollektiver und individueller Erinnerungen interpretiert, wobei sie sowohl Versteck als auch Ort der Selbstfindung sein kann: Städte sind „[…] ideale Verstecke, fremd und vertraut zugleich, Verstecke, in denen man die Wahl hat, sich zu zeigen oder aber abzutauchen, Verstecke vor anderen Menschen - und vor einem selbst.“ (S. 91). Die Verbindung von urbaner Lebensweise und Identität steht im Zentrum dieses Kapitels. Schreiber macht ferner den Gedanken stark, dass man zwar der eigenen Herkunft nicht entfliegen könne, aber das man sich in der Auseinandersetzung mit den eigenen Herkunftsgeschichten eine Zufriedenheit erarbeiten kann.

In Dieses Gefühl der Sicherheit verknüpft Schreiber nun das Konzept der ontologischen Sicherheit nach Anthony Giddens mit dem Gefühl des Zuhauseseins. Zuhause wird als Konstruktionsleistung beschrieben, die Zeit, Arbeit und Bereitschaft zur Verortung erfordert, und die Menschen durch persönliche „[…] Erfahrungen und Erinnerungen an einen Ort, an Menschen, an eine bestimmte Landschaft […]“ bindet (S. 97). Er kritisiert die Bagatellisierung von Ortswechseln und hebt die Bedeutung von Routinen sowie Alltagsstrukturen für die Identitätsbildung hervor. Die Balance zwischen Individualität und sozialer Eingebundenheit wird als essenziell für das Gefühl der Geborgenheit dargestellt. Als eine Möglichkeit sich einen Ort zu erschließen, sich diesen als Zuhause anzueignen, stellt dabei das Gehen dar (vgl. S. 108). Hier nimmt er Bezug auf Roland Barthes, stellt diesem aber noch Frédéric Gros zur Seite, für den Gehen auch eine „[…] grundlegende Freiheit des Selbstvergessens […]“ sei (S: 107).

Diese Gedanken greift Schreiber im Kapitel Zu sich kommen auf, in welchem er auf die Prozesshaftigkeit des Zuhauseseins fokussiert. Zuhause wird erneut als dynamisches und wandelbares Konzept beschrieben, das eng mit Selbsterkenntnis und narrativer Identitätsbildung verknüpft ist. Schreiber greift hierzu die Thesen von Yi-Fu Tuan und von Vilém Flusser auf und betont, dass Heimat ein temporäres und oft illusionäres Konzept ist, während das Wohnen eine stabilere, jedoch ebenfalls veränderliche Basis bietet. Die Wohnung dient hier als Fluchtpunkt der individuellen Beziehung zu Welt: „Kaum ein Ort spiegelt so grundlegend unsere Beziehung zur Welt wider wie unsere Wohnung.“ (S. 114). Neben den genannten Wissenschaftler*innen führt Schreiber noch Gaston Bachelard und Maggie Nelson an, um seine Aussagen zu belegen. Gegen Ende des Kapitels betont er: „Städte sind seltsame Orte, wir erwarten paradoxe Dinge von ihnen: Zum einen möchten wir größtmögliche Anonymität. Zum anderen möchten wir, dass diese Anonymität im Laufe des Tages mehrmals durchbrochen wird - von bekannten Gesichtern, freundlichen Menschen, Personen, die uns nahestehen. Wir möchten weitgehend unerkannt bleiben, aber eben auch nicht allein sein.“ (S. 120 f.). Doch Schreiber zeigt eine positive und tätige Sicht auf, nämlich, dass, auch wenn man seinen Wohnort nicht selbst gewählt hat, man durch Offenheit und die Bereitschaft, ihn von allen Seiten kennenzulernen, daraus ein Zuhause machen kann. Es erfordert laut ihm den Mut, ein Leben aufzubauen, vor dem man nicht flieht, sondern dem man sich stellt (vgl. S. 122).

Das Kapitel Die Schönheit der Narben schließt das Buch ab. Hier plädiert Schreiber für die Akzeptanz von Unvollkommenheit und Veränderung. Er betont, dass Zuhause kein idealer, fixer Ort ist, sondern ein dynamischer Prozess: „Zu Hause zu sein bedeutet unvollkommenes und beständiges Ankommen“ (S. 132). Diese Perspektive zieht sich durch alle Kapitel und bildet den Kern seiner Argumentation. Zuhause wird als Ort verstanden, der „gut genug“ sein muss, um Raum für Wachstum und Anpassung zu bieten (S. 131). Er bezieht sich hier auf Konzepte von Donald Winnicott und Adam Phillips. Ein Zuhause zu finden erfordert laut Schreiber Selbsterkenntnis und das Bewusstsein für die eigene, sich wandelnde Lebensgeschichte. Zuhause ist ein unvollkommenes, stetiges Ankommen, das wir uns immer wieder bewusst machen müssen (vgl. S. 132).

Diskussion

Daniel Schreiber gelingt es in Zuhause, ein universelles Thema mit persönlicher Tiefe und philosophischer Reflexion zu verbinden. Besonders hervorzuheben ist die Eleganz seiner Sprache, die es schafft, komplexe Ideen verständlich und ansprechend zu vermitteln. Seine autobiografischen Erzählungen, wie die Diskriminierungserfahrungen als schwuler Jugendlicher oder das Leben in der DDR, verleihen dem Werk Authentizität und emotionale Resonanz. Die Verbindung zwischen persönlichen Erlebnissen und theoretischen Überlegungen — etwa zu den Arbeiten von Hannah Arendt oder Anthony Giddens, sowie zu Didier Eribon oder auch Martin Heidegger — hebt das Buch auf ein angenehmes intellektuelles Niveau.

Bei der weitgehenden Offenheit und Ehrlichkeit Schreibers, bleibt er deskriptiv und gleitet nie ins Voyeuristische ab. Besonders gelungen ist ihm, nostalgische Vorstellungen von Heimat zu dekonstruieren und gleichzeitig die Bedeutung von Geborgenheit und Zugehörigkeit für das Individuum zu betonen. Schreiber hierzu: „In Wahrheit sind unsere Geschichten des Zuhauses Geschichten des Sich-Niederlassens, des Aufbruchs und des Sich-erneut-Niederlassens. Es sind Geschichten kontinuierlicher Zufälle, denen wir im Nachhinein große Bedeutung beimessen, von historischen Umbrüchen, über die wir keine Kontrolle haben“ (S. 39). Die Kombination aus autobiografischen und kulturkritischen Perspektiven hilft den Leser*innen in eigene Reflexionen über die eigenen Biografie und das eigenen Verständnis von Zuhause einzusteigen.

Ein Kritikpunkt könnte sein, dass Schreiber die Intersektionalität seiner Erfahrungen, etwa die Schnittstelle von Homosexualität und Migration, nur am Rande behandelt. Dies hätte das Werk in aktuelle gesellschaftspolitische Diskurse noch stärker eingebettet. Alles in Allem handelt es sich aber um ein autobiografisches Essay, an welches andere Maßstäbe angelegt werden sollten. Denn Zuhause überzeugt durch seine Vielschichtigkeit und die tiefgehende Analyse der Frage, was es bedeutet, sich irgendwo zu Hause zu fühlen. Leider bedient sich Schreiber auch der Psychoanalyse, die als Pseudowissenschaft keine Heilung, sondern allenfalls ein Damit-Leben-Können ermöglichen kann. Was sich in Aussagen wiederfindet, die den Mythos reproduzieren Traumata seien nicht heilbar. Allerdings ist dies neben den eher sachlich konnontierten Aussagen auch ein persönlicher Bericht einer Therapie über viele Jahre und sehr viele Sitzungen. Daher spiegelt sich hier auch ein Erfahrungsbericht persönlichen Leids wider.

Schreiber betont immer wieder sehr gelungen, dass unsere Perspektive auf das Leben niemals völlig neutral sein kann, da sie untrennbar mit dem Ort und den Umständen unserer Herkunft verbunden ist. Die familiäre und soziale Prägung formt unser Weltbild von Beginn an und bleibt als Grundlage ein Leben lang bestehen. In Anlehnung an Didier Eribon verdeutlicht er, dass diese Grundprägung nicht nur das individuelle Selbstverständnis beeinflusst, sondern auch unser Verhältnis zur Gesellschaft und unseren Platz darin bestimmt (vgl. S. 43).

Ein anderes starkes Element ist Schreibers Reflexion über die Ambivalenz von Großstädten, die sowohl Anonymität als auch Vertrautheit bieten. Seine Beobachtung, dass Städte wie New York ein „zuhauseloses Zuhause“ schaffen können (S. 91), ist eine der eindrücklichsten Passagen des Buches. Er beschreibt New York als einen Ort, der ihm das Gefühl von Zuhause vermittelte, ohne die Verpflichtungen eines festen Zuhauses einzugehen. Die Stadt ermöglichte ihm eine besondere Freiheit, da sie immer eine Option für Rückzug und Veränderung bot. Dieses zuhauselose Zuhause wurde für ihn ein Raum der Ruhe und Neuorientierung, in dem er sich selbst besser kennenlernen und seinen Weg neu definieren konnte (vgl. S. 91). Diese Perspektive eröffnet neue Wege, über die Beziehung zwischen Identität, Raum und Gemeinschaft nachzudenken. Vor allem, wenn er betont: „[…] Einsamkeit ist ein fester Bestandteil des Großstadtlebens“ (S. 90).

Schreiber betont außerdem sehr gut, dass das Gefühl, sich zu Hause zu fühlen, eng mit der Wahrnehmung des eigenen Selbst verbunden ist. In Anlehnung an Peter Blickle beschreibt er gut nachvollziehbar, dass ein gesundes Selbst eine Balance zwischen Individualität und sozialer Eingebundenheit erfordert. Es gelingt Schreiber den Begriff Zuhause dabei nicht nur als ein Symbol für Identität darzustellen, sondern in Teilen als gleichbedeutend mit ihr, da Identität stets von sozialen Strukturen mitgeprägt wird (vgl. S. 101).

Alles in Allem kommt er zu einem versöhnlichen Schluss: Oftmals sind wir bereits dort, wo wir hingehören, auch wenn uns das nicht immer bewusst ist. Zuhause ist kein statischer Ort, sondern ein Konzept, das sich im Laufe unseres Lebens wandelt. Es muss Raum bieten für Veränderungen und die sich stetig entwickelnden Bedürfnisse, die unser Leben prägen (vgl. S. 131). Abschließend fordert das Buch zur Selbstreflexion in Bezug auf Zuhause-Sein und In-der-Welt-sein auf, denn: „Das perfekte Zuhause, den Ort also, an dem man sich in jeder Hinsicht aufgehoben fühlt, sei es sozial, beruflich oder in der Liebe - diesen Ort gibt es nicht und es wird ihn auch nie geben. Das vollständig erfüllende und glückliche Zuhause ist eine Idealvorstellung, die im realen Leben nicht existiert. Trotzdem können wir uns zu Hause fühlen, jede und jeder von uns“ (S. 129).

Insgesamt gelingt es Schreiber, ein Thema von universeller Relevanz sowohl analytisch als auch emotional greifbar zu machen. Sein Buch fordert die Leser*innen dazu auf, über ihre eigenen Vorstellungen von Zuhause nachzudenken und die Ambivalenzen dieses Begriffs zu akzeptieren.

Fazit

Zuhause von Daniel Schreiber ist ein literarisch wie philosophisch sehr persönliches Werk, das aber allgemein universelle Fragen nach Identität, Geborgenheit und Zugehörigkeit aufgreift. Schreibers kluge Reflexionen, unterstützt durch soziologische und philosophische Bezüge und persönliche Anekdoten, machen das Buch zu einem lesenswerten Beitrag in der Diskussion um Heimat und Zuhause. Die zentrale Erkenntnis, dass Zuhause kein fester Ort, sondern ein innerer Prozess ist, wird sehr gut herausgearbeitet: „Zu Hause zu sein bedeutet unvollkommenes und beständiges Ankommen“ (S. 132). Trotz der Schwäche einen starken Bezug auf die Psychoanalyse zu nehmen, ist es ein inspirierendes Werk, das zur Reflexion über das eigene Leben einlädt.

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