Rezension zu Illouz: Der Konsum der Romantik
Illouz, Eva (2007): Der Konsum der Romantik. Suhrkamp (Frankfurt am Main) 8. Auflage 2022. 343 Seiten. ISBN 978-3-518-29458-1. D: 22,00 EUR. Hier geht es zum Buch.
Thema
Autorin
Eva Illouz ist Professorin für Soziologie und wird vielfach als legitime Nachfolgerin der Frankfurter Schule bezeichnet. Sie kombiniert Erkenntnisse aus den Kulturwissenschaften und der Kritischen Theorie, um eine moderne Kritik der Konsumgesellschaft zu formulieren. Illouz hat in mehreren ihrer Werke, wie zum Beispiel Warum Liebe wehtut, die Mechanismen sozialer und psychologischer Strukturen analysiert, die das Liebesleben beeinflussen. In diesem Buch widmet sie sich besonders der Frage, wie der Kapitalismus die Liebe in seine Sphäre integriert und wie romantische Praktiken dadurch verändert wurden. Die intensive theoretische Fundierung und der Einsatz umfangreicher empirischer Daten verleihen ihrem Werk eine tiefgehende analytische Schärfe und machen es zu einem bedeutenden Beitrag im Diskurs über Liebe und Konsum.
Entstehungshintergrund
Der Konsum der Romantik ist in einem gesellschaftlichen Kontext entstanden, in dem Liebe und Intimität eng mit kapitalistischen Strukturen verflochten sind. Eva Illouz, die sich in ihrem bisherigen Werk intensiv mit der Soziologie der Emotionen und den Auswirkungen der Marktwirtschaft auf das persönliche Leben beschäftigt hat, führt in diesem Buch ihre kritische Auseinandersetzung mit der Konsumkultur fort. In Der Konsum der Romantik wendet sie sich nun explizit der Frage zu, wie der Kapitalismus die romantische Liebe durchdringt und formt. Ihre Untersuchung ist — neben dem bereits genannten — auch durch die Arbeiten von Herbert Marcuse und Erich Fromm inspiriert, die den Kapitalismus als Bedrohung für authentische menschliche Verbindungen betrachteten. Illouz verknüpft diese kritischen Ansätze mit modernen Theorien der Konsumsoziologie und Medienforschung und greift auf eine umfangreiche Sammlung empirischer Daten zurück, um zu veranschaulichen, wie Konsumpraktiken in Liebesbeziehungen eingebettet sind. Das Buch liefert eine umfassende Analyse der Verflechtungen von Liebe und Konsum im 21. Jahrhundert.
Aufbau und Inhalt
Eva Illouz untersucht in ihrem Buch Der Konsum der Romantik die kulturellen Konstrukte und Rituale, die die romantische Liebe im Kontext des Kapitalismus prägen und formen. Sie unterscheidet dabei zwischen den Konzepten Romantik, romantische Liebe und Liebe selbst, die jeweils unterschiedliche Attribute und Bedeutungen tragen: Romantik ist mit Spontanität, Entspannung und Glück verbunden, während romantische Liebe oft Jugendlichkeit, Eleganz und äußere Zeichen von Glück betont. Liebe hingegen steht für Dauerhaftigkeit, Solidarität und Stabilität. Illouz zeigt, dass diese Kategorien nicht scharf voneinander getrennt sind, sondern sich überlappen und vermischen, insbesondere in Bezug auf die „besondere Atmosphäre“ und die Konsumgüter, die als Träger romantischer Bedeutung fungieren. Dabei ist ihr wichtig zu betonen, dass Gefühle und Emotionen nicht identisch sind: „‚Emotionen‘ sind das komplexe Zusammensiel von physiologischer Erregung, Wahrnehmungsmechanismen und Interpretationsprozessen; sie liegen damit an der Schwelle, wo das Nicht-Kulturelle in der Kultur verschlüsselt ist, wo Körper, Kognition und Kultur konvergieren und verschmelzen.“ (S. 27f.).
In ihrer Analyse geht Illouz darauf ein, wie Konsum als eine Art „Ritual“ die notwendigen räumlichen, zeitlichen und emotionalen „Grenzziehungen“ schafft, die Romantik und romantische Gefühle erst möglich machen. Luxusgüter wie teure Restaurants, Reisen oder besondere Geschenke werden zu symbolischen Elementen, die eine rituelle Bedeutung für romantische Beziehungen erhalten und diese unterstützen und formen. Diese materielle Unterstützung der Liebe verankert das Gefühl der Romantik in der Konsumkultur und zeigt, wie tief die kapitalistische Logik in das private und emotionale Leben eingedrungen ist.
Illouz stützt ihre Thesen auf sozialpsychologische Theorien, wie zum Beispiel auf die von Schachter und Singer, die argumentieren, dass Gefühle wie Liebe erst durch die kulturelle „Etikettierung“ physiologischer Erregungen entstehen. Demnach organisiert, klassifiziert und interpretiert die Kultur nicht nur Emotionen, sondern stellt auch Symbole und narrative Strukturen bereit, die romantische Erlebnisse erst gesellschaftlich kommunizierbar machen. Materielle Konsumpraktiken tragen somit entscheidend dazu bei, wie Romantik und Liebe erfahren und ausgedrückt werden.
Neben diesen soziologischen und psychologischen Analysen greift Illouz auch die Kritik der Frankfurter Schule auf, namentlich die Werke von Herbert Marcuse und Erich Fromm, die den Kapitalismus für die Entfremdung der Liebe verantwortlich machten. Marcuse und Fromm sahen in der romantischen Liebe eine potenzielle Flucht aus den Zwängen kapitalistischer Strukturen. Illouz hingegen argumentiert, dass diese Utopie gescheitert sei und Konsum heute untrennbar mit der Struktur und Erlebbarkeit von Liebesbeziehungen verwoben ist. Das Buch verdeutlicht somit, dass romantische Liebe und Konsum nicht mehr voneinander zu trennen sind und der Kapitalismus bis in die privatesten Bereiche des menschlichen Lebens eingedrungen ist.
Diskussion
In Der Konsum der Romantik analysiert Eva Illouz die wechselseitige Beziehung zwischen Liebe und Kapitalismus und zeigt auf, wie romantische Gefühle und Beziehungen durch Konsumpraktiken beeinflusst und verändert werden. Eine ihrer zentralen Thesen ist, dass romantische Liebe in der modernen Kultur als Konsumerlebnis inszeniert wird, das auf temporale, räumliche, künstliche und emotionale Grenzziehungen angewiesen ist, um eine besondere Atmosphäre zu schaffen. Dabei wird deutlich, dass Konsumgüter – wie luxuriöse Reisen, Kinobesuche und Geschenke – zu Ritualen werden, die den romantischen Kontext formen und intensivieren. Diese Formen des romantischen Konsums, so Illouz, „geben vor, ein radikal klassenloses und geschlechtsneutrales Antlitz zu präsentieren“ (S. 139) und vermitteln den Anschein, dass romantische Liebe über den sozialen Schichten stehe. Das kulturelle Konstrukt von Romantik neutralisiere die Geschlechtsunterschiede weitestgehend, indem es alle Geschlechter in die ‚weibliche‘ Gefühlssphäre versetzt (vgl. S. 131).
Illouz‘ differenzierte Betrachtung der kulturellen Konstruktionen von Romantik, romantischer Liebe und Liebe selbst ist eine Stärke des Buches. Sie beschreibt Romantik als die Sphäre von „Spontanität, Entspannung, Erregung und Glück“ (S. 129), während romantische Liebe mit Jugendlichkeit und äußerer Schönheit verknüpft ist und Liebe selbst als dauerhaft und stabil verstanden wird. Dabei deckt sie auf, dass der Kapitalismus eine Macht darstellt, die in die vermeintlich privatesten Bereiche unseres Lebens eingreift. Die romantische Liebe wird durch diese konsumorientierte Gesellschaft geformt und geschaffen, was unter anderem eine Art „Personenfetischismus“ hervorruft. Illouz beschreibt weiter treffend: „Dies impliziert im Gegenzug, dass es keine schlichte Dichotomie zwischen dem Bereich hintersubjektiver Beziehungen und der Konsumsphäre gibt, denn die Bedeutungen, welche die «Lebenswelt» romantischer Liebe aufrechterhalten, werden innerhalb und nicht außerhalb des kapitalistischen Systems konstruiert.“ (S. 186).
Eine zentrale Fragestellung des Buches ist, wie Kultur und Kapitalismus unsere Emotionen und deren Ausdruck prägen. Illouz greift dabei unter adnerem auf die Forschung von Schachter und Singer zurück und argumentiert, dass „Kultur eine wichtige Rolle spielt“ (S. 28) bei der Konstruktion, Interpretation und Funktionsweise von Emotionen. So wird etwa der Zustand physiologischer Erregung durch die kulturelle Etikettierung zu spezifischen Emotionen wie Liebe, Angst oder Eifersucht. In diesem Zusammenhang erklärt Illouz, dass „Gefühle durch einen allgemeinen und undifferenzierten Erregungszustand ausgelöst werden, der nur dann zu einem Gefühl wird, wenn er entsprechend ‚etikettiert‘ wird (vgl. S. 27ff.). Diese kulturelle Rahmung von Gefühlen führt dazu, dass das Liebesgefühl in bestimmten Konsumpraktiken und Ritualen eingebettet ist und erst dadurch zu den unterschiedlichen Emotionen wird. Des Weiteren arbeitet Illouz sehr gut heraus, dass die Klassenzugehörigkeit und die Verteilung von Kapitalien die Emotion Liebe maßgeblich beeinflussen. So stellt sie unter anderem fest: „Ein Mehr an kulturellem Kapital führt zu einem Mehr an Entfremdung: Der gebildete Liebende der Postmoderne begegnet seinen romantischen Überzeugungen mit der skeptischen Ironie eines post-marxistischen und post-freudianischen Bewusstseins.“ (S. 321).
Illouz beleuchtet zudem die Ambivalenz des romantischen Konsums. Konsumpraktiken werden nicht nur als Instrumente der Kommerzialisierung dargestellt, sondern auch als bedeutungsstiftende Rituale, die den Liebesbeziehungen Sinn verleihen. Dennoch bleibt Illouz skeptisch und zeigt auf, dass Liebe in einer konsumbasierten Gesellschaft unweigerlich von kapitalistischen Logiken geprägt wird, was mit dem dadurch geprägten Anspruch einer imaginierten Authentizität von Liebe kollidiert. Sie beschreibt treffend, dass diese konsumorientierten Rituale zwar Sinn schaffen, jedoch weit entfernt sind von den Ehrfurcht gebietenden Bedeutungen der Religion und der vormodernen romantischen Liebe. Diese Diskrepanz führt dazu, dass viele Menschen mit einer ironischen Distanz auf ihre Liebeserfahrungen blicken, da sie das Gefühl haben, dass ihr eigenes Verlangen nach vermeintlich echter Intimität durch den Konsum verzerrt wird. Dies verkennt, dass der Mythos einer vermeintlich wahren Liebe, also auch einer die unabhängig ist vom Kapitalismus, erst mit diesem entstanden ist. Und es verkennt weiterhin, dass es keine absoluten oder universellen Normen gibt, nach denen sich unterschiedliche Formen der Liebe bewerten ließen (vgl. S. 320). Und so stellt Illouz fest: „Die Liebe bleibt eine der wichtigsten Mythologien unserer Zeit.“ (S. 34).
Fazit
Der Konsum der Romantik ist eine faszinierende und tiefgehende Untersuchung, die aufzeigt, wie eng Liebe und Konsum miteinander verflochten sind. Illouz macht deutlich, dass romantische Liebe heute nicht mehr ohne ökonomische Einflüsse existieren kann und auch erst durch diese geschaffen wurde, dass sich die Gefühle und Beziehungen, die wir als intim und privat betrachten, stark durch kulturelle und kapitalistische Strukturen prägen lassen. Sie fordert die Leser*innen dazu auf, die „Verwirrung der Gefühle“ in der modernen Liebe kritisch zu hinterfragen und bietet damit eine erfrischende Perspektive auf die Mechanismen, die unsere Liebesvorstellungen prägen.
Durch die Auseinandersetzung mit Theorien von Marx, Bourdieu und der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule gelingt es Illouz, die romantische Liebe als kulturelles Produkt darzustellen, das von Konsumpraktiken geprägt, vereinnahmt und teilweise sogar geschaffen wird. Besonders überzeugend ist ihre Beobachtung, dass sich Menschen durch Konsumpraktiken und Symbole an romantische Momente erinnern und dabei oft die konsumorientierte Natur dieser Erlebnisse „verkennen“. Abschließend führt Illouz an: „Ein Gutteil des soziologischen und moralischen Denkens geht davon aus, dass die Werte und Haltungen des Privatlebens denjenigen des Bereichs des Warenaustauschs strikt entgegengesetzt sind; die Privatsphäre bedient sich bei der ökonomischen Sphäre allenfalls zu ihrem Schaden. […] Ich hingegen hoffe, dass meine Geschichte die Leser dazu bringen wird, den sakrosankten Charakter dieser Norm selbst zu überdenken.“ (S. 319).
Dieses Buch ist eine anspruchsvolle, aber lohnenswerte Lektüre für all jene, die bereit sind, ihre Vorstellungen von Liebe und Romantik kritisch zu hinterfragen. Illouz liefert eine undogmatische und durchdachte Analyse, die nicht nur die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einflüsse auf die romantische Liebe beleuchtet, sondern auch zu einem tieferen Verständnis des komplexen Zusammenspiels von Emotion und Konsum anregt. Für Leser*innen, die sich für die Soziologie der Emotionen, die Kritische Theorie oder einfach die Dynamik moderner Liebesbeziehungen interessieren, bietet Der Konsum der Romantik wertvolle Einsichten und eine inspirierende Perspektive. Denn in der Erkenntnis der Mechanismen kultureller Produktion von Emotionen wie Liebe und kulturellen Praktiken, wie der Romantischen Liebe, liegt der Freiheitsspielraum dies zu verändern, da „[…] die kommerzialisierte Sprache der individuellen Selbstverwirklichung im Augenblick die einzige [ist], die wir gut genug verstehen, um unsere Beziehungen einem Projekt der Autonomie, der Gleichberechtigung und der emotionalen Erfüllung zu öffnen.“ (S. 324). Aber es ist auch klar, „[…] dass die Soziologie nicht dabei helfen kann, sich zwischen konfligierenden Werten zu entscheiden.“ (S. 324). Diese Aufgabe kommt den Leser*innen zu und anderen Disziplinen wie der Philosophie.